Der grosse Aufmarsch von rund 150 Personen am Mittwochabend im «Waldstätterhof» in Brunnen zeigt die Dringlichkeit des Themas. Heinz Theiler, Präsident des Kantonal Schwyzerischen Gewerbeverbandes, moderierte den Anlass mit dem Ziel, «Klarheit in diese unübersichtliche Situation zu bringen». Klar war für den ersten Referenten Jörg Spicker, dass nach momentaner Einschätzung kein Blackout droht, jedoch eine Strommangellage. Der promovierte Astrophysiker, der seit über 35 Jahren in der Energiebranche tätig ist, führte aus, dass ein Stromabkommen mit der EU dringend nötig wäre. «Es muss der Schweiz gelingen, die 8 Prozent importierte Strommenge zu ersetzen. Die Lage ist ernst, die Schweiz muss aufwachen!», lautete Spickers Aufruf.
Handel mit Gaskontingenten
Auch der zweite Energieexperte, René Baggenstos aus Brunnen, Mitglied Task Force Erdgasversorgung 2022/23, glaubt nicht an Hilfe aus dem Ausland. Wohl am realistischsten seien bei einer tatsächlichen Gasmangellage Einschränkungen oder Verbote durch den Bund. Als interessanten Lösungsansatz für die Wirtschaft erläuterte er den von ihm mitentwickelten Handel mit Kontingenten: Unternehmen, die ihr Erdgas nicht unbedingt brauchen, geben dieses weiter an solche, die es dringend benötigen. Als kurzfristigen Lösungsansatz gegen explodierende Strompreise schlug er die Subventionierung von Gaskraftwerken vor, um die Strompreise zu senken.
Produktionsprozesse angepasst
Mit Urs Wullschleger, Geschäftsführer und Inhaber der Firma Schmidlin AG, erläuterte ein gestandener Unternehmer die bedrohliche Lage aus unternehmerischer Sicht. Für die Schmidlin AG, die für das Erhitzen des Emaillierofens auf grosse Mengen Erdgas angewiesen ist, sind die explodierenden Gaspreisen ein grosses Problem. Bereits werde an allen Ecken und Enden Strom und Gas gespart, der Ofen bald nur noch an drei Tagen in Betrieb genommen, was bis zu 25 Prozent Gaseinsparung bringe. Die Mitarbeitenden ihrerseits arbeiten ihr Arbeitspensum in vier Tagen ab. Mit der Mithilfe der Arbeitnehmer und innovativen Ideen, wird so etwas gegen den Energiemangel unternommen.
Politik hat versagt
Petra Gössi, Nationalrätin FDP, fand klare Worte: «Die Politik hat versagt, die Krise ist vorhersehbar gewesen.» Sie sprach von der derzeit immensen politischen Hektik in der Exekutive. Der Druck werde nicht nur diesen Winter, sondern über die nächsten Jahre anhalten. Gössi ist überzeugt, dass es kurzfristig etwas bringt, wenn alle Strom sparen. Mittelfristig müsse, um den Bau von Kraftwerken voranzutreiben, das Beschwerderecht angepasst werden, die Abhängigkeit vom Ausland reduziert sowie in Bildung und Forschung investiert werden.
Dringender Ausbau erneuerbarer Energien
Alle Referenten waren sich einig, dass es mittelfristig dringend notwendig ist, erneuerbare Energien auszubauen. «Bei den grossen Interessenkonflikten wie zum Beispiel beim Bau von Kraftwerken müssen gewisse Interessen in den Hintergrund treten, damit es weitergehen kann», war Gössi überzeugt. Technologieverbote darf es keine geben, es müssen alle Optionen sorgfältig geprüft werden.
Vorsichtiger Optimismus
Das Publikum nutzte die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Zum Schluss war sich Jörg Spicker sicher, eine seröse Prognose für den Winter sei nicht möglich, zu viele unberechenbare Faktoren wie das Wetter, der Krieg in der Ukraine und die Gaslieferungen aus dem Ausland würden mitspielen. Man hoffe einfach, gut durch den Winter zu kommen. Er stehe auf alle Fälle ständig unter und grosser Spannung, wie es sich für einen Netzbetreiber gehört. Beim anschliessenden Apéro im Mythensaal des «Waldstätterhofs» wurde rege weiter diskutiert.
Bildlegende:
Nationalrätin Petra Gössi referierte am Umwelt- und Wirtschaftsforum Schwyz im Waldstätterhof Brunnen